Beobachtungen am Wollziest

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Beobachtungen am Wollziest

Dirk Becker-Hempel Fine Art Photography
Veröffentlicht von Dirk Becker-Hempel in Beobachtung · 3 September 2023
Tags: #Wollziest#Gartenwollbiene#Garten
 
Beobachtungen am Wollziest

 
Es ist frühzeitig an einem Sonntagmorgen. Noch herrscht Ruhe in den umliegenden Gärten.
Mit meinem Kaffee und meiner Kamera gehe ich hinaus auf die Terrasse und genieße die Ruhe und die frische Morgenluft, welche manchmal mit einem angenehmen Schwall Kaffeeduft gefüllt ist.
Im Lavendel vor mir, sind schon die ersten Bienen und Hummeln eifrig am Nektar sammeln.  
Sanft wiegen sich die Stängel mit den Lavendelblüten und den soeben gelandeten Bienen und Hummeln hin und her. Der Anblick, welcher sich mir bietet, ist Balsam für die Seele und ich erinnere mich an die Wochen zuvor.

 
Weiter hinten im Garten steht, im Schatten der nachbarlichen Hecke, der Wollziest. Dieser Pflanze widme ich mich nun schon seit einigen Wochenenden. Inspiriert von Roland Günters Beiträgen zum Wollziest, in der „MAKROFOTO“ und der Seite „Makrotreff“, wollte ich schauen was bei unserer  Pflanze so passiert.


 

Ins Beet gesetzt habe ich die Pflanze Ende des Jahres 2022. Neun Stiele mit Blüten haben wir in diesem Jahr präsentiert bekommen.
Am Anfang konnte ich an der Pflanze jedoch nicht viel beobachten. Vielleicht musste es sich ja bei den Insekten erst herumsprechen.

Mit zunehmender Wärme begann sich am Wollziest dann doch einiges zu entwickeln.
Ameisen, kleine Käfer und recht viele Feuerwanzen trafen sich am Wollziest.  
Dann, als sich die ersten Blüten öffneten, kamen recht schnell Honigbienen, Hummeln und Schwebfliegen dazu, um sich am Nektar der Wollziestblüten zu laben. Auch eine Goldwespe konnte ich im Wollziest beobachten.

Doch eines Tages, ich machte nach der Arbeit einen Rundgang durch den Garten, sah ich ein fliegendes Insekt, welches sich verhielt wie eine Schwebfliege, ähnlich gefärbt war wie eine Wespe und den Körperbau einer Biene oder kleinen Hummel hatte. So etwas hatte ich in unserem Garten noch nie zuvor gesehen. Interessiert blieb ich am Wollziest stehen und beobachtete das Treiben dieses neuen „Wollziest – Interessenten“.

Plötzlich befiel mich eine euphorische Unruhe. Schnurstracks ging ich ins Haus und holte mir besagte „MAKROFOTO – Zeitschrift“.
Ein breites Grinsen breitete sich in meinem Gesicht aus. In unserem Garten hat sich die Gartenwollbiene angesiedelt.
3 Mädels und ein Junge.  Ich war begeistert.



Eines Tages machte ich mich mit Hocker und Kamera auf den Weg zum Wollziest. Die Pflanze lag noch im Schatten der Hecke. Die Honigbienen und Schwebfliegen waren schon da und schlürften eifrig den Nektar des Wollziests. Sie müssen sich beeilen, denn bald wird Rocky, „der Gartenwollbienenmann“ auftauchen und die anderen Blüteninteressenten „weg boxen“.

Und tatsächlich. Wenige Augenblicke später höre ich schon sein aufgeregtes Brummen. Und da ist er auch schon.
Skeptisch steht er fliegend in der Luft und beobachtet mich und was um den Wollziest herum los ist.  



 
Nachdem er mich „erkannt“ hat, begibt er sich auf seinen Patrouillenflug und verscheucht die anderen Wollziest - Interessenten. Wenig später, als er „Ordnung“ geschaffen hat, taucht sein erstes Wollbienenmädel auf. Es fliegt direkt die ersten Blüten an und beginnt mit der Arbeit.

Während ich das Treiben im Wollziest beobachte, nehme ich links neben mir eine andere Bewegung war. Keine 30 cm neben meinem Fuß tippelt ein Igel vorbei. Eilig steuert er die schützende Hecke an. Denn bald werden diese lauten zweibeinigen Wesen aus ihren Behausungen kommen.
Und das behagt ihm gar nicht.
Wieder muss ich schmunzeln, als ich das kleine „Igel – Hinterteil“ hin und her wackelnd zwischen den Zweigen der Hecke verschwinden sehe.

Ein tiefes Brummen sorgt dafür, das sich meine Aufmerksamkeit wieder dem Wollziest zuwendet. Eine schwarze Holzbiene nähert sich dem Wollziest und landet auf den Blüten. „Rocky“, der Wollbienenmann, ist mit seinem Patrouillenflug gerade auf der anderen Seite der Pflanze. Zunächst bemerkt er die Holzbiene nicht. Doch bei seiner nächsten Runde fliegt er einen Flugkorridor weiter oben.
Als „Rocky“ die Holzbiene bemerkt, bleibt er plötzlich in der Luft stehen. Scheinbar scheint er abzuwägen ob er die Holzbiene vertreiben kann. Schließlich ist sie fast drei mal so groß wie „Rocky“.
Mutig greift er sie an.
Er hat nicht sofort Erfolg.
Zunächst zeigt sich die schwarze Holzbiene unbeeindruckt. Ist dann aber doch etwas genervt wegen der weiteren Angriffe von „Rocky“ und fliegt zum benachbarten Lavendel.  


Ein kleines Stück fliegt ihr „Rocky“ hinterher, dreht dann aber um und lässt sich kurz auf einem Blatt nieder. Er fliegt zur nächsten Blüte und schöpft mit dem Nektar Energie für die nächsten Aktionen.



Hinsichtlich der Erhaltung seiner Art, ist Rocky kein Romantiker. Erblickt er ein Weibchen, wird es von oben her gepackt, ja regelrecht überfallen, während es in den Blüten Nektar sammelt. Nach Vollzug des Aktes lässt Rocky abrupt von der Bienendame ab und fliegt zur nächsten Blüte.



Im Laufe der, mittlerweile wochenlangen, Beobachtungszeit gesellten sich zwei weitere Wollbienenmänner hinzu. Während „Rocky III“ nur sporadisch vorbei schaute, war „Rocky II“ hartnäckiger. Für, nunmehr „Rocky I“, hatte das natürlich mehr Stress zur Folge. Er war ja bei den Damen nun nicht mehr die Nummer Eins.  
Wann immer es sich anbot, nutze „Rocky II“ (er hatte nur einen Fühler) die Gelegenheit sein Erbgut weiterzugeben. Bekam „Rocky I“ das mit – kam es unweigerlich zu einen Luftkampf. Miteinander ringend wirbelten die zwei Kontrahenten in der Luft herum. Das ging solange, bis einer der Beiden entweder das Weite suchte oder zu Boden geworfen wurde – nur um kurze Zeit später wieder aufzutauchen.   

Rocky I                                                                                                           Rocky II
 
Es ist jetzt Ende Juli und ein großer Teil der Blüten im Wollziest sind nun schon verblüht.
Das scheint die Wollbienen dazu zu veranlassen sich weiteren Nektar in der benachbarten Katzenminze oder dem Lavendel zu holen.
Im Lavendel hält sich „Rocky“ mit seinem Dominanzverhalten augenscheinlich etwas zurück.
Er fliegt nur an die Blüten, schöpft etwas Nektar und beginnt sogleich mit seinem nächsten Patrouillenflug.
Nur wenn ihm ein anderes Insekt zu nahekommt, wird es von ihm verscheucht. Die Blüten der Katzenminze wird von den Gartenwollbienen, nach dem Wollziest besonders gern angeflogen und nach Nektar abgesucht.


Besonders fasziniert bin ich von „Rocky s“ Flugkünsten.  
Wenn er aus einer Flugrichtung abrupt für wenige Sekunden stehen bleibt, sich dabei, wie ein Helikopter, um seine vertikale Achse dreht um in eine andere Richtung zu schauen oder sich auch seitwärts fliegend in einen Bogen um meine Kamera bewegt. Sehr interessant sind auch die Augen der Gartenwollbiene. Groß und mit einer Art silbernen Netz heben sie die Erscheinung der Wollbiene weiter an.

Den Rest meines Kaffees trinkend wird mir bewusst, was wirklicher Reichtum ist. Nicht der Reichtum im materiellen Sinne. Sondern auf eine Art, welche man mit materiellen Gütern nie erreichen kann. Ein Stück Natur im, wenn auch sehr kleinen, Garten erleben zu können. Die Freude, solchen Lebewesen wie der Wollbiene ein zu Hause geben zu können und an ihrem Leben teilzuhaben und wirklich verstehen zu lernen.
Insbesondere ohne eine Kamera oder ein Handy in der Hand kann man das Leben dieser Erdenbewohner ganz bewusst beobachten.
Man benötigt dafür nur etwas Interesse und Geduld.

Weitere Bilder findet Ihr hier.


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© Dirk Becker-Hempel
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